Rede zur Eröffnung der Ausstellung im Bauernmöbelmuseum Hirschbach

Von Mag. Christoph Stauber
4. September 2016

Ich werde in meiner Rede versuchen Ihnen sowohl die Person Therese Eisenmann als auch ihr Werk – soweit sie nicht damit vertraut sind – näherzubringen. Als langjähriger Freund schätze ich die Person Therese Eisenmann und aufgrund meines Berufes – ich unterrichte Bildnerische Erziehung - ihre Arbeiten ganz besonders. Näher kennengelernt haben sich Therese Eisenmann und ich bei Workshops, die ich für meine Schüler/innen organisiert habe.

Ich gehe von der Eröffnungsrede zu den diesjährigen Salzburger Festspielen des österreichischen Philosophen Konrad Paul Liessmann aus.
Er stellte in dieser Rede 4 Thesen zum Gelingen von Kunst auf. Die Gedanken von Konrad Paul Liessmann werde ich nicht wörtlich sondern sinngemäß und sehr kurz darstellen. Zu jeder seiner Thesen werde ich zuerst etwas zur Person der Künstlerin sagen und dann auf ihre Arbeiten beispielhaft hinweisen.


1. These: Kunst braucht Freiheit und Eigenständigkeit:


Konrad Paul Liessmann meint damit, dass Kunst nicht an moralischen, religiösen, politischen oder anderen Inhalten gemessen werden kann. Sie steht oft im Widerspruch zum Alltag und schon deshalb im Widerstand zu dem, was die meisten von uns für gegeben und für normal halten. Kunst ist letztlich nur sich selbst verpflichtet.


Die Bilder von Therese Eisenmann verlieren nie den Bezug zur Gegenständlichkeit. Sie scheut nicht die Konfrontation mit der sichtbaren Wirklichkeit. Jedoch werden die Gegenstände, Landschaften, Wasser, Tiere und Frauen nicht einfach abgebildet. Sie werden geformt und verwandelt durch das tiefe Empfinden und Erleben der Künstlerin.

Diese Verwandlung erfordert einen freien Geist - ohne jede voreingenommene Absicht -, ja scheitert an der Willkür. „Ich tue, was ich will“ – das wird in unserer Konsumgesellschaft für Freiheit gehalten – ist aber keine brauchbare Strategie, hat auch nichts mit Freiheit zu tun.

Um sich ihre Freiheit zu bewahren, hat Therese Eisenmann immer wieder Entscheidungen getroffen, die auch mit Verzicht verbunden waren. Nach dem Studium entschied sie sich ab 1977 für ein nomadisches Leben. Die Sommer verbrachte sie zuerst auf Almen in der Nähe ihres Geburtsortes Gosau, später in den Bergen des Vintschgau in Südtirol. Ab 1996 lebte und arbeitete sie im Turm des Klosters Säben oberhalb der Brennerautobahn und seit 2005 in der Alten Schule in der Lamm bei Neumarkt.


Zu diesem Aspekt ihrer Kunst möchte ich auf ihre Bilder von den toten Tieren, die sie meist am Straßenrand findet, aufmerksam machen. Hier in der Ausstellung ist es der Eichelhäher.

Der alltäglichen Achtlosigkeit und Verständnislosigkeit gegenüber der Natur setzt sie ihre konzentrierte Aufmerksamkeit entgegen. Vom Rand, außerhalb unseres alltäglichen Blickfeldes holt sie diese kaputten Wesen ins Zentrum des Bildes und entfaltet, wie den Flügel des Eichelhähers, die vergangene Lebendigkeit dieser Tiere vor unseren Augen. So gibt sie diesen Geschöpfen auch ihre Würde zurück. Diese Verwandlung von etwas bereits Vergangenem zu etwas Bleibendem, vom Einzelfall zu etwas Allgemeingültigem kann nur durch ein hohes Maß an Freiheit und Eigenständigkeit der Künstlerin gelingen.


2. These: Kunst ist nicht bloß Verschönerung

Kunst dient heute am Kunstmarkt sehr oft nur als Trophäe für sogenannte „Kunstsinnige“, die ihr Geld lukrativ anlegen, oder ihre eigene gesellschaftliche Bedeutung mit den erstandenen Kunstwerken heben möchten . Kunst verkommt zu einer Art Geldanlage oder einem Prestigeobjekt. Kunst ist aber weder nur Handelsobjekt und auch nicht nur schönes Beiwerk.


Die Arbeiten von Therese Eisenmann eignen sich wahrlich nicht zur Behübschung.

Hier muss ich auf das graphische Werk von Therese  Eisenmann verweisen, auch wenn sie in der Ausstellung (fast) ausschließlich Malereien vorfinden. Gerade der Verzicht auf Farbe in den Radierungen fordert vom Betrachter besondere Aufmerksamkeit und Konzentration. Von der Künstlerin erfordert die Erstellung der Stahlgravuren Kraft und Geduld. Da geht nichts leicht von der Hand. Therese Eisenmann ist kein Mensch, die zuerst die Bequemlichkeit sucht.

Schon rein technisch gesehen, ist es nicht möglich dabei an der Oberfläche zu bleiben, die Linien wurden mühsam in die Oberfläche gekratzt. Diese Stahloberfläche bietet starken Widerstand. Die Bilder sind das Ergebnis der Zerstörung der blanken Oberflächlichkeit.

Immer wieder sind Radierungen, meist Zustandsdrucke, anhand derer die Künstlerin ihre Arbeit kontrolliert und korrigiert, Anlass für malerische Überarbeitungen. Ich habe den Eindruck, dass sie Farbe als besondere Beschreibungsmöglichkeit von unterschiedlichsten Lichteindrücken und –qualitäten verwendet. Die Farben wirken meist rein, sehr transparent, was auch auf die besondere Technik, Kaseintempera, zurückzuführen ist. Kasein, gewonnen aus hochwertigem Topfen, ist ein sehr kräftiges Bindemittel, das es erlaubt die Pigmente, den Farbstoff selbst, fast rein aufzutragen.


Die Frauen, von Anfang an ein zentrales Thema, auch der Selbstreflexion - die Frauen, die sie uns zeigt entsprechen nicht einem oberflächlichen Klischee der Schönheit und des Weiblichen, schon gar nicht als Beiwerk des Mannes. Diese Frauen behaupten sich selbst, können gut auf einen Mann verzichten. In ihrer Darstellung verweigern sie sich als Objekt einer oberflächlichen Betrachtung. Sie fordern Respekt und Achtung ein und wirken gerade durch ihre Unangepasstheit herausfordernd. Sie bleiben in sich gekehrt, ziehen eine klare Grenze, wenden sich aber offen und klar der Welt zu und agieren in ihr.


3. These:  Kunst braucht Bildung

Das gelungene Werk weist immer auf Vergangenes zurück und auf Zukünftiges voraus. Es stellt hohe Ansprüche an unser Hören, Lesen, Sehen. Der Genuss von Kunst steigert sich mit Kenntnissen, mit Wissen, Einsichten und Erfahrungen. Die Fähigkeit, das Gelungene vom Misslungenen zu unterscheiden kann sich nur in der Auseinandersetzung mit den Kunstwerken der Vergangenheit und der Gegenwart entwickeln.


In der Generation von Therese Eisenmann war es meist unmöglich, dass eine junge Frau, aus einem abgelegen Tal - sie kommt aus Gosau - studiert. Es hat ihr viel Willenskraft und Einfallsreichtum abverlangt, ihren Beruf gründlich zu erlernen und 1977 ihr Studium an der Hochschule für Gestaltung in Linz – heute Universität - mit einem Diplom abzuschließen.

Schon 1978/79 erhielt sie eine Talenteförderungsprämie des Landes Oberösterreich, quasi als Startprämie. Es folgten von Beginn an zahlreiche Ausstellungen, in Linz, Wien und vielen anderen Orten Österreichs, aber auch im angrenzenden Ausland wie Passau, Bozen, Pilsen, Zürich und viele mehr. Sie suchte also von Anfang an den Dialog mit dem Publikum und erntete immer wieder hohe Anerkennung. 2009 erhielt sie den Landeskulturpreis des Landes OÖ.

Therese Eisenmann ist eine sehr gebildete Frau. Sie weiß um die alten Mythen und Märchen aus unterschiedlichen Kulturen, in denen die Menschen seit alters her ihr Wissen, ihre Lebensweisheit  weitergeben. Sie ist wach und belesen, setzt sich mit Wissenschaft , Kunst, Musik, Literatur und Politik auseinander, mit Vergangenem und Aktuellem.


Das alte Wissen um die innere Verbindung von Tier und Mensch finden sie in dieser Ausstellung in den 3 Bildern „Tal der Hände“ –namensgebend für diese Ausstellung, „Tal der Schwerelosigkeit“ und „Tal des Lichts“. Diese 3 Bilder bilden eine Einheit, ein sogenanntes Triptychon.

Ich möchte Sie einladen eine eigene Geschichte anhand dieser Bilder zu entwickeln, Möglichkeiten der Begegnung von Tier und Mensch zu entdecken. Vielleicht fallen Ihnen Märchen ein, in denen Tiere vorkommen.

Menschen begegnen Tieren, Tiere verwandeln sich in Menschen, Menschen in Tiere. Tiere sind oft Boten aus anderen Welten und Zeiten. Sie sind treue Begleiter und weisen den Menschen den Weg. Die Beziehung zwischen Tier und Mensch wird gerade in den alten Geschichten so eng, dass sogar Mischwesen entstehen, Tierisches und Menschliches versschmelzen untrennbar zu einer Einheit.

Das führt uns zur 4. Und letzten These von Konrad Paul Liessmann:


4. These: Kunst ist faszinierend und verstörend

Das Faszinierende und Verstörende an der Kunst besteht bis heute darin, dass sie alles sein kann, was man ihr zuschreibt und doch bleibt sie immer auch Geheimnis.

Sie kann als widersprüchlich, anregend, aufregend, langweilig und spannend, dumm und dreist, übertrieben, wunderbar und faszinierend erlebt werden. Alle diese Zuschreibungen zehren von der Idee, dass dem Menschen etwas nahezu Vollkommenes gelingen kann, das keiner weiteren Erklärung und Rechtfertigung mehr bedarf und das Gültigkeit, vielleicht sogar über die Jahrhunderte hinweg, beanspruchen darf.


Für viele ist das Leben einer Therese Eisenmann verstörend und zugleich faszinierend. Für mich, der gewohnt ist, regelmäßig sein Gehalt zu beziehen und über Jahre hinweg in stabilen Lebensverhältnissen zu leben ist die Lebenssituation der Künstlerin faszinierend und verstörend zugleich.

Manche halten ihre Lebensweise gar für asketisch, das schmackhafte Essen, das sie dem Gast serviert, mit Schwammerln aus dem Wald, Wildkräutern und Gemüse aus dem Garten ist es nachweislich nicht. Bewundernswert ist die Lebensfreude und Zuversicht, die Sie immer wieder ausstrahlt. Wahrscheinlich bedingt für sie das eine das andere.

Sinnbild dafür sind für mich ihre Gärten in der Lamm, die so jeder geplanten Baumarkt-Ästhetik und beruhigenden Übersichtlichkeit entbehren. Am ehesten entsprechen sie der Permakultur von Sepp Holzer. Ich bin jedes Mal überwältigt von der sinnlichen Pracht und abenteuerlichen Vielfalt dieser Gärten. Jeder einzelnen Pflanze, jedem Getier dieses kleinen Kosmos begegnet sie mit bewundernswerter Einsicht und Achtsamkeit.


Zu diesem Aspekt passen gut die wilden Tiere, meist Raubkatzen. Weich, geschmeidig, ja anmutig kommen sie daher, in sanfter Bewegung. Und doch sind sie keineswegs harmlos. Bei aller Entspanntheit wissen wir um ihre Wehrhaftigkeit. Wer Katzen schon beobachtet hat, weiß, dass sie aus der völligen Entspannung heraus - in einem Moment - aufspringen und sich zum ernstzunehmenden Gegner oder gefährlichen Jäger verwandeln können.


Ich lade Sie ein, sich von der Bilderwelt der Therese Eisenmann faszinieren zu lassen. Lassen Sie sich ein, auch wenn die Bilder auf Sie im ersten Moment verstörend wirken. Dieser Moment der Verstörung birgt eine große Chance in sich. Nicht nur die Chance, einer neuen Kunsterfahrung, sondern auch, dass Sie möglicherweise etwas Neues über sich selbst erfahren.



Ich danke für ihr Zuhören!

. .