„Wenn Du am Wasserfall stehst, das Leuchten siehst,
das Glitzern der einzelnen Tropfen...
wenn Dich die rasante Geschwindigkeit des Wassers mitreißt, die
Feuchtigkeit Dich
umweht. Wenn die Sprühnebel an Dir vorbeiwabern
dann umfängt Dich das Geschehen wie mit Silberfäden.
Und Du gehst in dieses heilsame Element hinein, wie durch ein
Zaubertor
Benommen und umtost von mannigfaltigen Klängen.“
Resonanzräume
In der großen
Leere Resonanz zu finden geht für mich fast ausschließlich über die
Natur. Das, was ich der täglichen Nachrichtenflut entgegensetze ist das
Wirken der Natur.
Die Kraft des Weiblichen, des Tierischen, die unerschütterliche Präsenz
von Naturphänomenen. Zerstörung und Neuerschaffung, der zuverlässige
Wechsel der Jahreszeiten.
Tiere sind nicht nur Fell- sondern auch Hoffnungsträger, Kraftspender.
Kleiden sich in Federn, können fliegen, zupacken, zubeißen oder halten
einen Winterschlaf. Weiß das Tier vom Krieg? Seine sehr spezifischen
Lebensformen inspirieren mich auf vielfältige Weise. Und natürlich die
Kunst selbst, die mir mehr und mehr als eines der wenigen Mittel
erscheint, den beinharten Fakten zu begegnen. Sowohl das Kunst-Machen
als auch die Rezeption von zeitgenössischer und klassischer Kunst
helfen mir in die so wichtigen Resonanzräume einzutauchen. Ebenso
„Kunst“ und Lebensweise der sogenannten Naturvölker. Wildheit, Wildnis,
Naturerfahrung prägen meine Arbeit.
Für meine Weltsicht spielt eine wichtige Rolle, dass ich viele Sommer
im Hochgebirge gearbeitet habe. Dass ich Tag und Nacht auf oft
wüstenähnlichen Plätzen verbrachte. Zwei Sommer nur eine Stufe
unterhalb des Gletschers, dessen Abfluß einen imposanten Wasserfall
bildete.“
Ich bilde Leben ab. Ich bin selbst Teil der Natur, der Natur
nachzubilden versucht auf eine durch und durch sinnliche Weise. Ich
will in ihr aufgehen, in ihr verschwinden durch sie in eine andere
Bewußtseinsebene gelangen. Die Natur ist mächtiger als ich. Aber nicht
wirklich anders. Nicht stofflich anders. Ein Organismus beziehungsweise
Teil eines Organismus, dem auch ich angehöre. Auch wenn ich manchmal
von Fotos ausgehe, ändert das nichts am Zugang zur Materie. Es geht mir
nicht um die Verwundungen, die Menschen der Natur zufügen, sondern um
ihre, also der Natur Stärke. Im unabsehbaren Ambiente des Gebirges, in
der unendlichen Weite des Meeres ein verschwindend kleiner Punkt. Das
ist meine grundsätzliche Ausgangsposition.
Die derzeitigen Naturdarstellungen sind nicht mit romantischen Motiven
zu verwechseln. Das hindert allein die Sprödigkeit und Schwärze. Die
Wasserfälle sollen helfen, verkrustete Meinungen, irrationale Ängste,
eingefahrene Systeme aufzuweichen, wegzuschwemmen, aufzubrechen. Hin zu
Veränderungen, zur Auflösung des Feststehenden.
Meine Arbeit ist unter anderem der Versuch, den teilweise harten
Tatsachen des Menschlichen konstruktiv entgegenzusteuern. Nachdem ich
möchte, dass die Bilder unmittelbar wirken, bietet sich die
Gegenständlichkeit an. Wobei innerhalb des Gegenständlichen viele
Interpretationen möglich sind. Die BetrachterInnen sind also
aufgefordert, aktiv an der Deutung teilzunehmen.
Im internationalen Kontext gehöre ich mit meinem Leben in der Stille
wohl zu den Ausnahmen.
Therese Eisenmann
Lamm, im März 2016